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Vom Etikettieren
Die Strömungen der öffentlichen Meinung leben von Etiketten.
Mit Etiketten kennzeichnet man sich und die Seinen, mit Etiketten all seine Feinde.
Solche Etiketten bewahren einen vor der als lästig empfundenen Notwendigkeit, die Realität in ihrer Konkretheit gedanklich zu erfassen.
Wenn man nun versuchen würde, der öffentlichen Meinung einzuimpfen, dass es schick ist, all diese Etiketten zu hinterfragen, so würde das nichts nützen, da das "Hinterfragen" sich sofort in ein Etikett verwandeln würde und zur inhaltsleeren Pose.
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Begriff des Begriffs
Der ursprünglich mit dem Wort "Begriff" verbundene Begriff wird in unseren fortschrittlichen Zeiten zunehmend durch einen anderen Begriff verdrängt, den man früher mit dem Wort "Etikett" bezeichnete.
Da bleibt dann keine Spur mehr von Gedanken; und verirrt in einem Wust von Etiketten wandelt sich der Mensch zu einem gedankenlosen steuerbaren Herdenvieh.
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In verständnisloser Umgebung
Wenn man sich selbst kaum versteht, ist es mühsam, mit Menschen zusammenzuleben, die einen noch weniger verstehen.
In solchem Falle ist Einsamkeit allemal das kleinere Übel
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(Das Übel liegt nicht darin, dass sie noch weniger verstehen, sondern darin, dass sie Unverstandenes mit irgendwelchen ihnen genehmen Etiketten überkleben und einen in irgendein wirres Bild reinpressen)
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Etikettenregen
"Verschwörungstheoretiker" klingt zwar nicht ganz so überzüchtet dämlich wie "Putinversteher" und sonstige neologistische Meisterwerke unserer fortschrittlichen Analphabeten; aber zusammen mit selbigen gehört es denn doch zum exklusiven Sprachschatz einer Art von Zeitgenossen, die man nicht so richtig ernstnehmen kann; ganz egal, wie zahlreich sie sind und wie selbstbewußt sie sich gebärden.
Das Beklebtwerden mit solchen Etiketten soll man hinnehmen wie einen Regenguß oder eine sonstige gedankenlos sich austobende Naturerscheinung; ernstgenommen wird es eh nur von jenen nicht ernstzunehmenden Zeitgenossen.
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Umzudefinierender Wohlstand
Im deutschen Bildungsphilisterjargon geht inzwischen die Rede davon, "dass man Wohlstand neu definieren muß".
Längst ist es nämlich unserer fortschrittlich zivilisierten Menschheit gelungen, das störende Sein durch Etiketten und Posieren zu verdrängen; und wenn von hierzu befugter Stelle einem Lebenszusammenhang das Etikett "Wohlstand" verpasst wird, so hat man sich gefälligst wohlzufühlen.
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Ideologiefundament
Die ollen Nazis beklebten ihnen nicht genehme Sichtweisen mit wertbehafteten Etiketten ohne klar gefassten Inhalt. – Dieser das Denken ersetzende Etikettenwahn war eine wichtige Komponente des Fundaments, auf dem die Nazi-Ideologie ungestört sich austoben konnte.
Wer gedankenlos ihm nicht genehme Sichtweisen mit wertbehafteten Etiketten – darunter auch mit dem Etikett „Nazi“ oder „Rechts“ – bekämpft, der ist, was das Fundament seiner Ideologie betrifft, durchaus mit den Nazis verwandt.
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Von Denkern und Querideologen
Mit dem Wort „Querdenker“ etikettiert man gemeinhin einen Menschen, dessen Sichtweise mit der herrschenden Ideologie nicht übereinstimmt.
Wobei man aber bedenken sollte, dass die ursprüngliche Bedeutung des Verbs „denken“ nichts mit Ideologie zu tun hat.
Wer der herrschenden Ideologie, dem herrschenden Etikettensammelsurium eine andere Ideologie mit anderen Etiketten entgegenstellt – ja nun, den kann man bei Bedarf als „Querideologen“ bezeichnen.
Wer sich aber einer Ideologie – sei es der herrschenden, sei es sonstwelcher – mit gedankengetragener Sprache denkend entgegenstellt – der ist einfach nur ein Denker.
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Nachbemerkung
Obige Sammlung aus der Feder unseres Kollegen Wilhelm von Dorten.
Weitere Aphorismen von ihm und sonstigen Kollegen – ernsthaftes wie auch wohldurchdachter Blödsinn – findet man im Vondorten’schen Multiversum.
(rein unter uns: ich schreib das selbst; unter einer Menge von Pseudonymen)