Auf der Suche nach irgendwelchen Notizen stieß ich auf eine Aufzeichnung vom Januar 2014.
Schon eine Weile her.
Damals gelüstete es mich nach einer Zigarette; doch da ich offiziell nicht mehr rauche, hatte ich entsprechend auch keine solche zur Hand.
Und ich erinnerte mich an die letzte Packung Zigaretten, die ich Ende März 2007 – schon sehr lange her – in Baku aufrauchte.
Da besagte Aufzeichnung so herrlich verrückt ist, sei sie denn nunmehr hier veröffentlicht.
Ich möchte rauchen. Eine Zigarette. Aber ich habe keine Zigaretten. Ich könnte rausgehen mir welche kaufen. Aber ich will mir keine kaufen. Weil ich offiziell nämlich das Rauchen aufgegeben habe.
Schon seit langem habe ich keine Zigaretten mehr gekauft. Die letzte selbstgekaufte Packung rauchte ich, wenn ich mich nicht täusche, Ende März 2007 in Baku am Flughafen in irgendeiner Kantine; gemeinsam mit einem Polizisten, dessen Namen ich vergessen habe.
Über Baku reiste ich damals ab Tbilissi Richtung Deutschland, um mir mal wieder die fast schon vergessene mitteleuropäische Geistesart zu Gemüte zu führen.
Ab Tbilissi fuhr ich in Begleitung von Inga zur Aserbaidschanischen Grenze, und von dort mit dem Bus die Nacht durch nach Baku zum Flughafen.
Den Flughafen erreichte ich am frühen Morgen, gab mein Gepäck auf und begann, herumzustreunen. Der Flug ging erst nach Mitternacht; zum Streunen war genügend Zeit. Am liebsten wäre ich durch die Stadt geschlendert; aber ich wußte nicht, wie man dorthin kommt.
Plötzlich wimmelte es auf dem Flughafengelände von Polizei. Obwohl meine Papiere meines Wissens in Ordnung waren, machte das mich nervös. Ich mag solches Uniformengewimmel nicht. Entschloss mich, bevor sie anfangen, Ausweise zu kontrollieren, zur Flucht nach vorn. - Und so ging ich auf eine Gruppe Uniformierter zu und fragte, wie man in die Stadt kommt.
Da ergab sich dann eine lockere ungezwungene Unterhaltung. Das Polizeiaufgebot hatte mit dem Besuch eines polnischen Würdenträgers zu tun; das war, scheint's, eben derjenige, der Jahre später vor Smolensk mit dem Flugzeug verunglückte. Einer der Polizisten, Pascha, war von Beruf eigentlich Ingenieur. Als die Fabrik, in der er arbeitete, in den postsowjetischen Wirren dicht machte und er keine seiner Ausbildung entsprechende Arbeit mehr finden konnte, ging er zur Polizei. Ich erzählte von meinem Tiflisser Bekannten Irakli, der, eigentlich Atomphysiker, gleichfalls bei der Polizei gelandet war. Trotz des wissenschaftlich wie polizeilich höheren Ranges – bei der Polizei hatte Irakli den Rang eines Obersten – verwandtes postsowjetisches Schicksal.
Pascha hatte grad Dienstschluss und nahm mich mit runter in die Stadt; führte mich etwas herum (obiges Foto wurde von ihm geknipst). Er brachte mich dann wieder hoch zum Flughafen und stellte mich einem seiner Kollegen vor – ich hatte den kurz bei meiner 'Flucht nach vorn' gesprochen -, damit er mir nach Mitternacht helfe, meine Sachen aus der zu solch später Stunde geschlossenen Gepäckaufbewahrung herauszuholen. Also war es mir vergönnt, mich bis zum Einchecken unbelastet von störendem Gepäck im Flughafen herumzubewegen.
Gemeinsam mit diesem Polizisten, dessen Namen ich vergessen habe, leerte ich dann später in der Kantine besagte letzte Zigarettenpackung.
Und über ein Jahr später, während des russisch-georgischen Krieges, gab ich Inga – die es in den Kriegswirren nach Baku verschlagen hatte – Paschas Telefonnummer durch. Besonders viel konnte er ihr nicht helfen; aber immerhin: da war jemand, an den sie sich wenden konnte. Selbst lebte ich damals in Odessa.
Und daß Inga während ihres kurzen aserbaidschanischen Exils sich an Pascha wenden konnte, geht denn auf das Karma des zu jener Zeit noch unter den Lebenden weilenden polnischen Würdenträgers.
Soviel zu der letzten selbstgekauften Packung Zigaretten.